Bereits mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz wurden unter Bundeskanzler Gerhard Schröder viele Verbesserungen für die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften erreicht. Vorbehalte in der Bevölkerung haben sich deutlich verringert. Trotzdem hat die Parallelität von Eingetragener Lebenspartnerschaft und klassischer Ehe für schwule und lesbische Partnerschaften immer noch zur Folge, dass die Gleichstellung in vielen Einzelpunkten mühsam gerichtlich erstritten werden muss. Exemplarisch zeigt dies gerade ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom
10. Mai 2011, in dem die Ungleichbehandlung eines schwulen Mannes in Hamburg bei seinen Rentenansprüchen gegenüber verheirateten Kollegen für rechtswidrig erklärt worden ist.
Der EuGH bemerkt in seiner Entscheidung, es gebe im deutschen Recht inzwischen keine großen rechtlichen Unterschiede mehr zwischen der herkömmlichen Ehe im klassischen Sinne und der Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dies ist eine sehr begrüßenswerte Entwicklung. Doch die Tatsache, dass zwei Formen der rechtlich geregelten Partnerschaft nebeneinander existieren führt dazu, dass die Eingetragene Lebenspartnerschaft oft als eine Art Ehe zweiter Klasse angesehen wird. An dieser Sichtweise wird sich selbst dann nichts ändern, wenn irgendwann eine vollständige rechtliche Angleichung stattgefunden haben mag.
Die gesellschaftlichen Veränderungen sind erfreulich. Jetzt muss verhindert werden, dass mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz, das als erster Schritt zur Gleichstellung und Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften gut und richtig war, keine Ungleichheit gesetzlich zementiert wird.
Vor diesem Hintergrund halten wir es für richtig und logisch konsequent, den Schritt zu wagen, die Zweigleisigkeit der parallelen Rechtsinstitute Ehe und Eingetragene Partnerschaft zu verlassen und die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Menschen zu öffnen.
Im Vordergrund sollte stehen, dass sich Menschen zueinander bekennen und füreinander einstehen wollen. Ehe und Familie sind - auch nach den Formulierungen des Grundgesetzes - nicht gleichzusetzen. Für uns ist Familie dort, wo generationsübergreifend Verantwortung übernommen wird. Aus eben diesem Grund muss natürlich die Familie im Mittelpunkt des staatlichen Schutzes stehen. Wenn Ehe und Familie sich aber unterscheiden, kann eine Ehe nicht nur zwischen Mann und Frau bestehen. Sie muss als eine geschlechtsneutrale - und somit nicht diskriminierende - Institution im Grundgesetz verankert sein.
Die oft vorgebrachte Meinung, die vollständige Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe könne mit dem Umstand gerechtfertigt werden, dass aus einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft keine Kinder hervorgehen können, greift aus zweierlei Gründen nicht: zum einen können auch Eingetragene Lebenspartner Kinder adoptieren. Zum anderen bleiben auch Verheiratete oftmals - gewollt oder ungewollt - kinderlos. Trotzdem werden ihnen aufgrund der Kinderlosigkeit natürlich bestimmte Vorteile wie steuerliche Privilegien nicht gestrichen.
Die Öffnung der Ehe wird in keiner Weise eine Schwächung der Institution der Ehe, wie von konservativer Seite immer behauptet, hervorrufen. Im Gegenteil, sie wird den zeitlichen Gegebenheiten angepasst und erhält neue Impulse.
Erfreulicher Weise sind schwule und lesbische Lebenspartnerschaften mittlerweile ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. In Film und Presse sind Schwule und Lesben heute genau so sichtbar, wie im Alltagsleben. Es ist längst nicht mehr gesellschaftsfähig, Schwule und Lesben auf stereotype Rollenklischees zu reduzieren. Die Wahrnehmung von Schwulen und Lesben hat sich weitgehend normalisiert. Sie füllen wie alle anderen auch eine Rolle in unserer Gesellschaft aus. Es ist an der Zeit, die rechtliche Situation den tatsächlichen Lebensverhältnissen anzupassen.
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird ersucht,
1. eine Bundesratsinitiative zur Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts zu starten und
2. der Bürgerschaft bis Ende Dezember 2011 darüber zu berichten.
Hamburgische Bürgerschaft
08.06.2011
Von den Abgeordneten:
Peri Arndt, Gabi Dobusch, Andreas Dressel, Jan-Hinrich Fock, Thomas Ritzenhoff, Sabine Steppat, Urs Tabbert