Der Engpass an Mietwohnungen in Hamburg wird auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen. Viele Mieter trauen sich aus Angst vor Wohnungskündigung und Obdachlosigkeit kaum, sich gegen offensichtliche Rechtswidrigkeiten zu wehren. Offenbar gibt es einzelne staatliche Einrichtungen, die ihre Kenntnisse über sichtbar Recht brechende Vermieter ignorieren, weil sie den Mieterinnen und Mietern keine Wohnalternativen aufzeigen können.
Bereits im Oktober 2009 griff die Presse inakzeptable Praktiken von Vermietern bei SGB II-Leistungsempfängern auf. Bekannt wurde, dass sich die Wohnungen zum Teil in einem äußerst schlechten Zustand befanden, die tatsächlichen Wohnungsgrößen deutlich kleiner sind, als in den Mietverträgen angegeben, und die Nettokaltmieten in Folge dessen Spitzenpreise von bis zu 26 Euro pro Quadratmeter erreichen. Diese Praktiken wurden in der Schriftlichen Kleine Anfrage 19/4465 im Oktober 2009 aufgegriffen und es wurde gefragt, welche Konsequenzen der Senat hieraus ziehen wolle. Der Senat und die zuständige Fachbehörde hielten es nicht für nötig, den in der Presse konkret benannten Vermieter und seine Vermieter-Praktiken einer Prüfung zu unterziehen. In Presseberichten vom 6. März 2010 ist zu lesen, dass team.arbeit.hamburg bereits vor vier Jahren entsprechende Unstimmigkeiten mit dem Vermieter Kuhlmann, der damals noch Partei- und Deputationsfunktionen wahrnahm, bekannt geworden seien. Dennoch sei team.arbeit.hamburg bis vor Kurzem nicht aktiv geworden. Am 9. März 2010 wurde dann in der Presse berichtet, dass nun von team.arbeit.hamburg Anzeige erstattet worden sei. Vor dem Hintergrund seines Wirkens als Deputierter der Behörde für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz ? die u.a. für die Kosten der Unterkunft zuständig ist ? ist zudem bei vielen der Verdacht entstanden, dass die Aufklärung des Sachverhaltes seitens Senator Wersich bewusst nicht vorangetrieben wurde.
Trotz der Vorfälle vor einigen Jahren, der konkreten Hinweise aus dem Oktober 2009 sowie der diesbezüglichen bürgerschaftlichen Anfrage an den Senat, scheint die für die Kosten der Unterkunft zuständige Fachbehörde und der Fachsenator monatelang nichts unternommen zu haben, um gegen den offenkundigen Missbrauch von Steuergeldern vorzugehen. Aufgeklärt werden müssen insbesondere alle Vorgänge im Zeitraum von September 2009 bis März 2010, denn hier lagen Senat und Fachbehörde offenkundig umfassende Informationen vor, während der Vermieter Kuhlmann weiter in der Deputation der Sozialbehörde mitwirkte. Senator Wersich schweigt sich zu den Vorgängen konsequent aus und verweigert damit der Öffentlichkeit die nötige Aufklärung. Die Regierungsfraktionen folgen dieser Strategie des Aussitzens, indem sie das Ersuchen um Aufklärung des Sachverhalts der SPD-Bürgerschaftsfraktion am 3. Juni 2010 in der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft ablehnten.
Wir fragen den Senat:
1. Wann lagen
- dem Senat,
- der zuständigen Fachbehörde und
- team.arbeit.hamburg
welche Informationen zu welchen Fällen oder Verdachtsfällen von Mietbetrug durch den Vermieter Kuhlmann und andere Vermieter bei SGB II-Leistungsempfängern jeweils vor?
2. Wie viele Fälle von Mietbetrug oder Verdacht auf Mietbetrug durch den Vermieter
Kuhlmann und andere Vermieter bei SGB II-Leistungsempfängern sind dem Senat oder der Fachbehörde jeweils wann bekannt geworden?
3. Bei welchen Vermietern besteht jeweils in wie vielen Fällen der Verdacht auf Mietbetrug bei SGB II-Leistungsempfängern?
4. In welchem finanziellen Umfang bewegt sich der Verdacht des Mietbetrugs durch den Vermieter Kuhlmann und andere Vermieter bei SGB II-Leistungsempfängern jährlich seit 2005 insgesamt und in welchem finanziellen Umfang wurde Mietbetrug inzwischen rechtlich festgestellt?
5. Welchen gesundheitlichen Gefahren waren die Bewohnerinnen und Bewohner durch Wohnungsmängel wie Feuchtigkeit und Schimmel etc. ausgesetzt?
5.1 In wie vielen Fällen hat dies bisher zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt?
5.2 Welche Feststellungen nach dem Hamburgischen Wohnraumschutzgesetz hat es hierzu gegeben?
6. Welche behördlichen, strafrechtlichen und sonstigen Maßnahmen wurden von
- Senat,
- Fachbehörde oder
- team.arbeit.hamburg
jeweils zu den einzelnen Verdachtsfällen des Vermieters Kuhlmann und anderen Vermietern bei SGB II-Leistungsempfängern eingeleitet oder aus welchen Gründen nicht eingeleitet?
7. Welche Maßnahmen der Mieterinnen und Mieter wurden hierbei (Frage 6.) unterstützt?
8. Welchen Umfang hat der Wohnungsbestand des Vermieters Kuhlmann und wie viele Wohnungen wurden davon an SGB II-Leistungsempfänger vermietet?
9. Ist es richtig, dass team.arbeit.hamburg der Kuhlmann Grundstücks GmbH grundsätzlich die Mietzahlungen für SGB II-Leistungsempfänger direkt überweist?
9.1 Wenn ja, warum?
9.2 Wenn nein, in wie vielen Fällen absolut und prozentual überweist team.arbeit.hamburg die Miete direkt an die Kuhlmann Grundstücks GmbH?
10. Für wie viele SGB II-Leistungsempfänger (absolut und prozentual an der Gesamtzahl der SGB II-Leistungsempfänger) überweist team.arbeit.hamburg die Miete direkt an den Vermieter? Nach welchen Kriterien entscheidet sich team.arbeit.hamburg für eine solche Direktüberweisung?
11. Dem Vernehmen nach soll es im November 2009 eine behördenübergreifende Besprechung gegeben haben, bei der es um die Vermietungspraxis der Kuhlmann Grundstücks GmbH gegangen sein soll. Dort soll team.arbeit.hamburg angewiesen worden sein, die Zusammenarbeit mit dem Vermieter Kuhlmann nicht grundsätzlich zu beenden, weil es auch positive Erfahrungen gebe und es sich um einen großen und für die Stadt wichtigen Vermieter handele. Gab es im November 2009 oder zu einem anderen Zeitpunkt eine solche behördenübergreifende Besprechung? Wer waren die Teilnehmer und was waren konkret Inhalt und Ergebnis dieser Besprechung?
12. Medienberichten zufolge hat der Vermieter Kuhlmann angekündigt, zu viel gezahlte Mieten an die Behörde zurückzuerstatten. In wie vielen Fällen sind bislang welche Summen auf dem Konto der Behörde bzw. bei team.arbeit.hamburg eingegangen?
13. Wie wollen der Senat, die zuständige Behörde und team.arbeit.hamburg in den vorliegenden Verdachtsfällen des Vermieters Kuhlmann und anderen Vermietern bei SGB II-Leistungsempfängern künftig vorgehen?
14. Inwieweit werden Senat, zuständige Behörde und team.arbeit.hamburg Änderungen im Umgang mit entsprechenden Fällen von Mietwucher bei SGB II-Leistungsempfängern planen?
15. Wann werden entsprechende Konzepte (Frage 14) vorliegen und wann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
Hamburgische Bürgerschaft
15.06.2010
Drucksache: 19/6495
Von den Abgeordneten:
Elke Badde, Ksenija Bekeris, Gabi Dobusch, Britta Ernst, Uwe Grund, Dirk Kienscherf, Wolfgang Rose