Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 50. Sitzung am 23. Januar 2013
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe bisher eher zu den Optimisten beziehungsweise Optimistinnen in Sachen Elbphilharmonie gehört.
(Dietrich Wersich CDU: In Sachen SPD!) Ich habe darauf gesetzt, dass wir, wenn wir gründlich genug aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und HOCHTIEF nichts durchgehen lassen, zwar nicht ungeschoren davonkommen und gar nichts dazuzahlen müssen, dann aber doch schnell wieder auf einen guten Weg kommen, den Wandel schaffen und uns endlich wieder mit den eigentlichen Fragen beschäftigen können. (Andreas C. Wankum CDU: Was sind die
denn? – Antje Möller GRÜNE: Geld ist nicht so wichtig!)
Die eigentlichen Fragen aus Sicht einer Kulturpolitikerin sind natürlich: Was soll und wird die Elbphilharmonie für die Stadt sein, was soll die Musikstadt sein, und wie bekommen wir dieses dann großartige Konzerthaus gefüllt mit vielfältigem Leben?
(Dietrich Wersich CDU: Das stimmt, dazu sind Sie noch gar nicht gekommen!)
Das wäre dann endlich wieder Kultur im eigentlichen Sinne und ganz nach meinem Geschmack. (Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren! Zwischen Wunsch und Wirklichkeit gibt es eine gewisse Lücke, (Jens Kerstan GRÜNE: 200 Millionen Euro, was ist das schon?)
das gebe ich gerne zu, aber auch das ist nichts Außergewöhnliches im Leben von uns Politikern und Politikerinnen; eine gewisse Durststrecke dürfte noch vor uns liegen. Ende Februar aber werden wir wissen, ob auf Basis des Angebots von HOCHTIEF eine Neuordnungsvereinbarung zustande kommt – natürlich vorbehaltlich der Zustimmung dieses Hauses –, mit der die Risiken zukünftig aufseiten von HOCHTIEF liegen und die Stadt nur noch – wobei "nur noch" natürlich ein großes Ding ist – darauf schauen muss, dass das gebaut wird, was wir auch bestellt haben. Außerdem besteht, wenn es so kommt, wie wir hoffen, die reelle Chance, dass endlich mit dem ewigen Gerangel zwischen den Verantwortlichen – zwischen Generalplaner und Generalunternehmer, HOCHTIEF und Herzog & de Meuron –, einem Geburtsfehler des Projekts, Schluss sein wird. Und was am Wichtigsten ist: Dann wissen wir endgültig, wie teuer uns dieser Prestigebau kommen wird und wann wir ihn in Besitz nehmen können. Aber ich gebe zu, dass ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Es werden insgesamt 575 Millionen Euro netto sein. Dazu werden noch Steuern kommen, Zinsen sind bereits geflossen und werden auch weiterhin in nicht unbeträchtlicher Höhe fließen.
All das ist natürlich eine Zumutung. Es ist eine Zumutung für jede Bürgerin und jeden Bürger, und es ist vor allen Dingen eine Zumutung im Zusammenhang mit Haushaltskonsolidierung und Schuldenbremse; da gibt es überhaupt kein Drumherum. Das ist eine bittere Pille, darüber kann dann auch die netteste Verpackung, sei es die Außenhaut oder sei es die Innenhaut im Saal, nicht hinwegtäuschen. Allerdings sehe ich trotzdem keine Alternativen. Vorschläge, einen halbfertigen Bau zum Mahnmal für Größenwahn zu erklären, zeugen eher von einem mir nicht ganz fremden Bedürfnis, dieses Projekt endlich in den Griff zu bekommen; ernsthaft in Betracht kommt so etwas natürlich nicht.
(Beifall bei der SPD)
Eine solche Bankrotterklärung käme eine Stadt wie Hamburg letztendlich viel teurer zu stehen als das, was wir jetzt haben. Nun könnte man zwar nach der unrühmlichen Vorgeschichte sagen: Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert. So machen wir es aber nicht, das wäre durchaus unhanseatisch und nicht angemessen. Bleibt als Alternative nur, aus unserem Herzen keine Mördergrube zu machen und HOCHTIEF in die Wüste zu schicken, wahlweise auf den Mond. Noch haben wir keinen ausgearbeiteten Vertrag. Der Senat hat deshalb in weiser Vorausschau erstens für den Fall der Fälle ein Szenario für den Ausstieg vorbereitet, zweitens für diesen Fall eine Klausel verabredet, die uns sofortiges Kündigungsrecht und sofortigen Zugang zur Baustelle sichert, und drittens die Kosten grob kalkuliert, die auf uns zukämen, wenn die Stadt selbst weiterbauen würde.
(Andreas C. Wankum CDU: Haben Sie die
Kalkulation gesehen?)
Das sind alles sehr vernünftige und unabdingbare Verabredungen, die wir brauchen.
(Beifall bei der SPD)
Trotzdem, ich will das gar nicht verleugnen, war für mich das Ernüchterndste: Die Kosten sind mehr oder weniger gleich, ob mit HOCHTIEF oder ohne. (Dietrich Wersich CDU: Was kennen Sie
denn da? Das behaupten Sie! Haben Sie
das gesehen? – Katja Suding FDP: Was haben Sie denn da gesehen?)
Es bleibt also wie im antiken Heldenepos eine Entscheidung zwischen zwei gleich großen Übeln; Skylla und Charybdis lassen grüßen. Entweder wir setzen nach all den schlechten Erfahrungen mit HOCHTIEF und den Verträgen wieder auf eine solche Lösung – und da weiß ich nicht, ob dabei den Juristen oder einer Nicht-Juristin wie mir mehr heiß und kalt wird – oder wir gehen all die Risiken ein, die eigenes Bauen, also Neuvergabe, Übernahme von Gewährleistungen, siehe Berlin, so mit sich bringen.
(Glocke)
Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbrechend): Frau Dobusch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wersich?
Gabi Dobusch SPD (fortfahrend): Nein, er ist ja gleich dran.
Ich bin mir sicher, dass allen, die die Aussagen der ReGe im Untersuchungsausschuss verfolgt haben, auf jeden Fall heiß und kalt würde.
Meine Damen und Herren! Wir haben in Sachen Elbphilharmonie von Anfang an auf Transparenz gesetzt – deshalb gab es den ersten PUA, deshalb gibt es den aktuellen PUA –, und das wird auch weiterhin gelten.
(Olaf Ohlsen CDU: Das ist ja völlig neu!) Der Senat hat frühzeitig das Gespräch mit den Oppositionsführerinnen und -führern gesucht und wird das auch weiterhin tun. Er hat uns zügig eine Mitteilung mit den Fakten vorgelegt, auf deren Grundlage wir hier debattieren.
(Antje Möller GRÜNE: Aber Sie haben kein Wort dazu gesagt!)
Wir werden das, wie versprochen, natürlich auch zur Vertiefung der Debatte an den Kulturausschuss überweisen. Dass alle Vertragsabschlüsse dem Vorbehalt der Zustimmung der Bürgerschaft unterliegen, versteht sich von selbst. Im Kontext dieser Zustimmungsdrucksache soll und wird alles vorgelegt werden; insoweit sind wir uns einig. Bezüglich der Zeitschiene liegen die Vorstellungen im Moment noch auseinander. Wir schlagen vor, nicht während, sondern nach dem Verhandlungsprozess alles offenzulegen,
(Anja Hajduk GRÜNE: Ah ja!)
denn ich kann mir nicht vorstellen, dass der Prozess davon profitiert, wenn wir 121-stimmig – plus Senat – verhandeln.
Noch etwas zum Thema Frist – da spreche ich direkt die ehemaligen Senatorinnen und Senatoren an –: Sie sollten eigentlich wissen, dass elf Werktage für eine Aktenvorlage eine unrealistische Zeitvorgabe ist.
(Beifall bei der SPD)
Aber Ende Februar ist alles in Ordnung. Alles soll und muss Ende Februar auf den Tisch, da sind wir uns einig, denn wir wissen, dass nur Transparenz wieder Akzeptanz schafft. Wir als Bürgerschaft sollen und müssen alles wissen, um dann im Frühjahr sorgfältig und ohne Hast eine verantwortliche Entscheidung treffen zu können. Dafür werden wir sorgen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Bis sich die Elbphilharmonie mit ihren vielen, vielen Geburtsfehlern wieder in einen von Hamburg und seinen Bürgerinnen und Bürgern geliebten Schwan verwandelt, wird wohl noch einiges Wasser die Elbe hinunterfließen. Wir wollen das Projekt aber – ich hoffe, Sie wollen es auch noch –, und wir wollen es so gut es geht und ordentlich zu Ende bringen. Ich fände es gut und in der Sache auch angemessen, wenn wir das mit möglichst breiter Unterstützung aus diesem Hause weiter bewegen, begleiten und beschließen könnten. Dazu werden wir unseren Beitrag leisten. Gerade diejenigen, die in den letzten Jahren Verantwortung für dieses Projekt getragen haben, sollten jetzt nicht abseits stehen, sondern weiter Verantwortung übernehmen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)