Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 76. Sitzung am 12. Dezember 2013
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Australien macht es, Österreich macht es, Großbritannien angeblich auch, Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, ein paar weitere und Hamburg nun demnächst auch. Die Rede ist – Sie wissen es – vom Gender Budgeting, was man vielleicht ein bisschen unzureichend mit geschlechtergerechtes Haushalten übersetzen könnte. Mit der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking fing es an, aber besonders weit sind die meisten der knapp 200 teilnehmenden Staaten – Deutschland gehörte übrigens dazu – bei diesem Vorhaben noch nicht gekommen. Umso erfreulicher ist es, dass Hamburg nun nach einer langen Reihe von Anträgen, Prüfaufträgen, Anhörungen und Debatten zum Gender Budgeting über mehrere Legislaturperioden hinweg die Chance der Umstellung des Haushaltswesens von der Kameralistik zur Doppik nutzt, um auch in dieser Sache entscheidende Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen.
(Beifall bei der SPD)
Wie wir gestern hörten, geht mit der in seltener Einigkeit beschlossenen Modernisierung unseres Haushaltswesens einher, dass fachliche Ziele zukünftig stärker in den Mittelpunkt rücken, dass die Fachdebatte unterstützt und solider wird und dass sich unsere Aufmerksamkeit mehr auf Leistungen und Ergebnisse richten kann als allein auf einzelne Haushaltsposten. Dazu passt ein Ansatz wie das Gender Budgeting ganz besonders gut.
(Beifall bei der SPD)
Gender Budgeting eröffnet nämlich die Möglichkeit, Zielsetzungen wie die Durchsetzung einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern jeweils mit Ressourcen in Relation zu setzen und gegebenenfalls nachsteuern zu können. Damit kämen wir unseren Verpflichtungen, wie in der Hamburger Verfassung und aktuell auch im "Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm" des Senats festgehalten, nach einem geschlechtergerechten Einsatz der Mittel endlich nach. So weit sind wir aber noch lange nicht, und nach der Erfahrung anderer Bundesländer – Berlin doktert schon seit mindestens fünf Jahren daran herum – liegt noch ein hartes Stück Arbeit vor uns. Vielleicht sollte ich zur Klarstellung noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es beim Gender Budgeting nicht einfach um das stupide Zählen von Fliegenbeinen, also nach dem Motto "Weiblein nach links, Männlein nach rechts" oder um eine stupide Mittelvergabe nach dem Fifty-fifty-Prinzip geht. Gender Budgeting sieht vielmehr eine geschlechterdifferenzierte Analyse des Haushalts vor, um die Wirkung der staatlichen Einnahmenund Ausgabenpolitik auf die Stellung von Frauen und Männern zunächst einmal überhaupt und am besten dann auch noch systematisch zu erfassen. Das A und O dafür sind Daten und natürlich auch deren Bewertung. Die liegen in einigen Bereichen bereits vor, in anderen nicht. Deswegen greifen wir in unserem Antrag ausdrücklich den Zuwendungsbereich auf, denn ganz ohne weitere Erhebungen, aber auch ohne entsprechende Vorgaben, Verabredungen und Controllings kommen wir in der Sache nicht weiter.
Meine Damen und Herren! Gleichstellungspolitik ist Querschnittspolitik.
Dementsprechend ist es nur folgerichtig, gleichstellungspolitische und steuerungsrelevante Ziele und Kennzahlen jeweils in den Einzelplänen auszubringen. Besonders intensiv sollten dabei unseres Erachtens die Arbeitsmarktpolitik und die Bereiche Gesundheit und Verbraucherschutz betrachtet werden, zunächst jedenfalls. Hier liegt dann zukünftig auch die Verantwortung von uns Abgeordneten, die im "Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm" für die einzelnen Bereiche jeweils festgelegten gleichstellungspolitischen Ziele im Hinblick auf die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen zu diskutieren, zu bewerten und entsprechende Maßgaben daraus zu folgern. Genderanalysen seien zwar eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung für einen Politikwechsel im Sinne der Durchsetzung einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern. So ähnlich hat es einmal ein Kollege formuliert und das ist wohl wahr. Gerade in Zeiten knapper Kassen – vielleicht sollte ich sagen auch angesichts der Schuldenbremse – sind wir aber gut beraten, mit dem Einstieg ins Gender Budgeting ernst zu machen.
Bisherige Haushalte waren in weiten Teilen geschlechtsblind, aber keineswegs geschlechterneutral. Ganz im Gegenteil, zu häufig nämlich haben Kürzungen oder Konsolidierungen in der Vergangenheit in weit stärkerem Maße negative Auswirkungen auf ein Geschlecht, zumeist die Frauen, gehabt, ohne dass dies immer auf Anhieb ersichtlich gewesen wäre. Solche blinden Flecken werden nun zumindest Schritt für Schritt kleiner werden oder, wie Finanzsenator Tschentscher neulich im Haushaltsausschuss im Zusammenhang mit der Debatte um das Gender Budgeting sagte, bestimmte Dinge müsse man nur gesehen haben, dann wüsste man genau, dass es so nicht geht. Hier besteht Handlungsbedarf, hier muss sich etwas ändern.
(Beifall bei der SPD)
Auf diese Art von Evidenz setzen wir. Hier bin ich einstweilen optimistisch. Wie sich das alles zukünftig abbildet, wie sich die sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen in den verschiedenen Bereichen langfristig angleichen lassen, das muss sich zeigen. Die Herausforderungen dürften sowohl auf Verwaltungsseite als auch aufseiten der Abgeordneten gar nicht klein sein. Die Vorlage des Haushaltsplan-Entwurfs 2015/2016 wird jedenfalls Anlass sein, sich über die Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung von Zielen und Kennzahlen berichten zu lassen und über Darstellung, Analyse und die möglichen Konsequenzen dann zu diskutieren. In Peking 1995 fing es an, in Hamburg hat die Sache jetzt Fahrt aufgenommen. Jedenfalls sind wir dem Ziel, mit der gleichen Selbstverständlichkeit über geschlechtergerechtes Haushalten zu reden wie wir bereits über generationengerechtes Haushalten reden und dann dementsprechend zu handeln, einen kleinen, aber aus meiner Sicht doch bedeutenden Schritt nähergekommen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)