Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 65. Sitzung am 14. August 2013
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich die Lage richtig einschätze, dann müssten wir uns eigentlich parteiübergreifend und quer durch alle Fraktionen in den folgenden Punkten einigermaßen einig sein. Erstens: Wir wollen tatsächlich eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der Ausgestaltung unserer Gesellschaft.
Zweitens: Wir wollen gleiche Chancen von Frauen und Männern auf Einflussnahme, auf Mitentscheidung und auf Gestaltungsmacht. Frau Suding, ich schaue Sie jetzt etwas zweifelnd an.
Drittens: Wir wollen selbstverständlich auch, dass sich diese gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in einem ausgewogenen Verhältnis der Geschlechter bei der Wahrnehmung von Aufgaben in Gremien und Leitungsfunktionen widerspiegelt.
(Beifall bei der SPD – Katja Suding FDP: Denn man zu!)
– Dann sind wir uns ja einig.
Das sind unsere einvernehmlichen Ziele. Mit der Einigkeit dürfte es bei der Frage zu Ende sein, wie und wann wir das alles realisieren. Hier gibt es die eine oder andere Differenz, die die Debatte sicherlich aufzeigen wird. Aus Sicht der SPD-Fraktion jedenfalls sind wir diesen Zielen mit der Vorlage des Gesetzentwurfs über die Besetzung von Gremien im Einflussbereich der Freien und Hansestadt Hamburg mit Frauen und Männern einen entscheidenden Schritt nähergekommen. Endlich, füge ich hinzu, denn meine Fraktion hatte bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen entsprechenden Antrag eingebracht, der damals leider mit den Stimmen von CDU und GAL abgelehnt wurde. Es war unseres Erachtens nicht mehr hinnehmbar, dass in einer aufgeschlossenen, zukunftsorientierten und international ausgerichteten Metropole wie der unseren Frauen immer noch von einigen kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen vollständig ausgeschlossen und in diversen Gremien von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung nicht vertreten sind beziehungsweise waren.
(Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren! Es gibt noch andere Bereiche, in denen der Ausschluss der Frauen nicht mehr hinnehmbar ist. Dazu einige Bemerkungen. Es gibt auch in unserer Stadt Sektoren heftiger Gegner, bisweilen auch Gegnerinnen jedweder Quotenregelung, gleich wie moderat diese ausgestaltet sein mag. Nicht alle sind derart explizit dagegen wie Herr Ackermann, der gerade wieder in einer ARD-Sendung, falls Sie das zufällig gesehen haben, freundlich lächelnd erklärte, dass Frauen, vor allen Dingen bestimmte Altersgruppen von ihnen, nicht gebraucht werden, jedenfalls nicht in den Aufsichtsräten und Vorständen in unserer Republik. In die Richtung von Menschen, die ähnliche Ansichten vertreten, könnte ich jetzt mit sozialer Verantwortung, mit ethischen Grundsätzen, mit Appellen an Gerechtigkeit und so weiter, vielleicht auch mit dem Hinweis auf die fruchtlosen Selbstverpflichtungen argumentieren, aber auf diesem Ohr herrscht bekanntlich bei dem einen oder der anderen eine zumindest partielle Taubheit. Lassen Sie mich daher andersherum argumentieren. Alle Studien, alle Expertisen der vergangenen Jahre, und zwar gleich aus welcher politischen Ecke, laufen auf eines hinaus: Wenn wir international wettbewerbsfähig bleiben wollen, zumal in Zeiten der Globalisierung und des demokratischen Wandels – das Thema Fachkräftemangel hatten wir eben schon –, dann müssen alle unsere Unternehmen, natürlich auch die der Stadt, Schluss machen mit stereotypem Denken und einer zentralistischen Kultur gemäß der Maßgabe: An der Spitze steht ein hochqualifizierter weißer Mann mittleren Alters. Wir wissen alle, dass das mit dem mittleren Alter bei Männern eine äußerst dehnbare Kategorie ist. (Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)
Wenn wir international wettbewerbsfähig bleiben wollen, dann brauchen unsere Unternehmen die Frauen, und zwar nicht in Minijobs, mit denen sie Führungsetagen.
(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)
Ohne einen umfassenden Kulturwandel, und zwar Top-down, in den Unternehmen ist dies unseres Erachtens nach nicht zu schaffen.
Wenn wir international wettbewerbsfähig bleiben wollen, dann muss Schluss sein mit dem Kreisen in den immer gleichen Kreisen, mit den Old-BoyNetworks, es muss Schluss sein mit diesem Beharrungsvermögen und dem Festklammern einiger Herren an Macht und Geldtöpfen.
Alles andere ist nämlich geschäftsschädigend. Ein Blick über den Tellerrand tut vielleicht recht gut. In puncto Frauen in Führungspositionen bilden wir mittlerweile in Europa fast das traurige Schlusslicht. Es wurde in deutschen Medien darüber berichtet, dass die BBC gerade in einer hochgeachteten Filmreihe über das neue sympathische Deutschland berichtet hat. Wir kommen dort ausnahmsweise einmal gut weg, wir werden gelobt, aber als Negativum wird explizit ausgeführt, dass es für Frauen hier kaum auszuhalten sei. Warum? Komischerweise würde nämlich in diesem Land davon ausgegangen, dass selbst bestausgebildete Frauen besser zu Hause bleiben sollten. Welches Potenzial wir da brachliegen lassen, darauf hat Herr Senator Scheele eben schon hingewiesen, und auch ich finde, dass es wirklich nicht zum Aushalten ist, wie das bisher gehandhabt wurde.
(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)
Meine Damen und Herren! Die bundesweite Debatte und Auseinandersetzung um den Hamburger Vorschlag zur geschlechtergerechten Quotierung von Aufsichtsräten haben Sie hoffentlich alle noch vor Augen beziehungsweise in den Ohren. Insofern dürfte Ihnen noch gegenwärtig sein, auf welch breite Zustimmung diese Vorschläge gestoßen sind. Ich erinnere da nur zum Beispiel an die Mehrheit im Bundesrat. Dass sich im Bundestag dann die überzeugten Quotenbefürworterinnen der CDU (Dietrich Wersich CDU: Das sind wir!)
– da schaue ich einmal in Ihre Richtung – mit einer vagen Aussicht auf Einführung einer Quote in ferner Zukunft vertrösten ließen, ist natürlich schade. Das zeigt einmal wieder, dass Sie bis zur modernen Großstadtpartei doch noch einen weiten Weg zurückzulegen haben.
(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Aber Sie sind schon ganz weit!)
Wir sind in Hamburg immer sehr stolz darauf gewesen, Tor zur Welt zu sein. Und tatsächlich steht Hamburg derzeit hoch in der Gunst junger Frauen. Vielleicht haben Sie es am Wochenende gelesen: Vor allen Dingen die 18- bis 25-jährigen jungen Frauen zieht es überproportional in unsere Metropole,
(Katja Suding FDP: Und das ganz ohne
Quote!)
und zwar in der berechtigten Hoffnung, dass hier besser unter einen Hut zu bringen ist, was sonst schwer zu vereinbaren ist:
(Katja Suding FDP: Deshalb sind Sie hier!) Beruf, Karriere, Partnerschaft, Kinder und Lebensperspektiven jenseits von Rollenstereotypen. Diesen Frauen sind wir verpflichtet, und diesen Verpflichtungen werden wir auch nachkommen. (Beifall bei der SPD)
Frau Suding, diese jungen Frauen erwarten – und bekommen hier auch – Rahmenbedingungen, die ihnen genau das ermöglichen: ein selbstbestimmtes Leben und Teilhabe auf allen Ebenen quer durch unsere Gesellschaft. Das Thema Kinderbetreuung wurde heute auch schon angesprochen, zum Beispiel das Betreuungsgeld, das natürlich in diesen Kontext gehört, aber das lasse ich jetzt einmal aus.
Der Senat hat beschlossen, den Verfassungsauftrag zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ernst zu nehmen, und er hat mit dem "Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm" die Richtung vorgegeben. Selbstbestimmung und gerechte Teilhabe sind die Leitgedanken. Die für das zweite Quartal 2013 avisierte Maßnahme 121 – darüber reden wir heute, es handelt sich dabei um den Gesetzentwurf zur Besetzung von Gremien – hat bereits ihre positiven Schatten vorausgeworfen, wie wir bei einigen Ausschussberatungen zum Rahmenprogramm zu hören bekamen. Schon im Vorfeld wurde nämlich der Anteil der Frauen in einigen Gremien und an einigen Schaltstellen der Macht in unserer Stadt entscheidend erhöht, auch wenn wir natürlich noch weit von einer paritätischen Besetzung entfernt sind. Aber Schritt für Schritt nähern wir uns diesem Ziel der tatsächlichen Gleichstellung, und wir bleiben da als SPD-Fraktion zumindest hartnäckig dabei.
(Beifall bei der SPD)
Wir können es uns unseres Erachtens nämlich nicht länger leisten, auf Frauen in entscheidenden Positionen zu verzichten. Wir wollen gleiche Chancen für Frauen und Männer auf Einflussnahme, Mitentscheidung und Gestaltungsmacht. Das Gesetz ist ein Baustein auf dem Weg dahin. Wir überweisen es daher gern an die Ausschüsse und freuen uns auf die lebhaften Diskussionen mit Ihnen. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)