Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 55. Sitzung am 27. März 2013
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Selbstbestimmung und Teilhabe, so lautet das sehr passende Motto des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms, das der Senat vorgelegt hat. Hamburg ist damit das dritte Bundesland, das diesen Schritt geht, und es ist nicht nur ein guter, ein notwendiger, sondern auch ein längst überfälliger Schritt hin zu einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Stadt.
(Beifall bei der SPD)
Natürlich ist Gleichstellung rechtlich dank des couragierten Einsatzes von Elisabeth Selbert schon lange im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert. Ich denke, der eine oder die andere kennt den Satz, auf den ich anspiele: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Eine ähnliche Formulierung fand sich auch in der Verfassung der DDR. Dort hieß es: Mann und Frau sind gleichberechtigt. Auch in der Hamburger Verfassung findet sich eine entsprechende Textpassage. Dass all dies noch nicht zu einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern geführt hat, daran haben uns gerade wieder der 8. März, der Internationale Frauentag, sowie der Equal Pay Day am 21. März erinnert. Es ist meines Erachtens einfach ein Skandal, dass die Entlohnung von Frauen im Vergleich zur Entlohnung von Männern bei gleicher Arbeit in Deutschland so weit auseinanderliegt wie fast nirgendwo sonst in Europa. (Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)
Es ist ein Skandal, weil wir immer so tun, als seien wir ein modernes, ein fortschrittliches Land. Dem ist aber nicht so. Wir hinken beim Thema Gleichstellung in Europa hinterher, sitzen häufig an letzter Stelle.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Nur nicht bei der HHLA!)
Das ist natürlich auch der Bundesregierung, so wie sie derzeit agiert, anzukreiden – siehe Betreuungsgeld, Herr Heintze.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD)
Über Gleichstellung öffentlich nachzudenken und Missstände anzuprangern, hat uns gerade der Equal Pay Day wieder Anlass gegeben. Solche Symbolpolitik insgesamt ist wichtig und von hoher Bedeutung, aber es ist auch höchste Zeit, dass der Staat Hamburg seiner Verpflichtung tatsächlich nachkommt, sich für die Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen und die Benachteiligungen zu beenden, die immer noch da sind. Dafür hat der Senat jetzt eine gute, eine kluge und sehr weitreichende Grundlage mit dem Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm gelegt.
(Beifall bei der SPD)
Wir hatten im Wahlkampf versprochen, Gleichstellung zu einem gesamtgesellschaftlichen Reformprojekt zu machen. Und wir sind jetzt dabei, dieses Versprechen wie viele andere auch, über die wir in den vergangenen Wochen gesprochen haben, einzulösen.
(Beifall bei der SPD – Arno Münster SPD: Bravo!)
Gleichstellung ist für uns kein Nischenthema. Wir wollen es aus der Ecke herausholen. Ich sage vielleicht vorsichtshalber noch einmal, obwohl es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt: Gleichstellung ist keineswegs ein Thema, das nur uns Frauen betrifft, sondern eben auch die Männer, wenn auch in der Mehrzahl der Fälle noch Frauen die Benachteiligten sind. Da ich schon dabei bin, möchte ich hinzufügen, dass wir Frauen keine Minderheit bilden. Insofern ist es tatsächlich berechtigt, dieses Thema endlich aus der Ecke herauszuholen.
(Beifall bei der SPD)
Das mit der Minderheit musste ich noch einmal bringen, denn wenn man auf die rechten Stuhlreihen blickt, dann könnte man tatsächlich denken, dass in dieser Gesellschaft Frauen wenig vertreten sind. Insgesamt ist das Bild hier nun mittlerweile etwas ausgewogener.
Gleichstellung ist kein Nischenthema, sondern ein Querschnittsthema, eines, das fast alle Lebensphasen und fast alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens berührt.
Dem wird das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm, das der Senat vorgelegt hat, gerecht, indem es ein Leitbild vorgibt und das Thema durch die verschiedensten Lebensphasen und Lebensbereiche durchdekliniert. Insgesamt sind 162 Maßnahmen zusammengestellt worden. Zusammengeführt wurden Maßnahmen aus verschiedenen Behörden, und durch frühzeitige und vor allem behördenübergreifende Einbeziehung des Aspekts Geschlechtergerechtigkeit wird sie durch das Rahmenprogramm in der gesamten Verwaltung festgeschrieben. Das ist die Verankerung, die wir brauchen.
(Beifall bei der SPD)
Wer jemals erlebt hat, wie sich ein gesamter Verwaltungsapparat dann tatsächlich in Gang setzt – vielleicht am Anfang etwas zögerlich, aber wenn er einmal in Bewegung gesetzt ist, dann natürlich ganz gewaltig –, wird eine Vorstellung davon haben, was das in Zukunft, wenn alles so funktioniert, wie der Senat sich das gedacht hat, heißen könnte und was wir damit alles bewegen können, wenn der politische Wille dazu da ist. Ich kann Ihnen versichern: Der politische Wille ist da, zumindest bei meiner Fraktion und auch auf Senatsseite. (Beifall bei der SPD)
Meine Damen und Herren! Natürlich kann der Staat nicht allein alles richten. Er kann aber auf alle seine Partnerinnen und Partner, auf alle gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure hinwirken, dass auch sie sich den gleichen Grundsätzen verpflichtet fühlen. Zum Beispiel könnten sie sich darauf besinnen, wenn es um die Entsendung von Menschen in diverse Gremien geht, dass man nicht immer nur einen Mann schicken kann, sondern sich bisweilen – und mit bisweilen meine ich jedes zweite Mal – auch für eine Frau entscheiden kann. Man sieht doch, dass es geht, wenn selbst der American Secret Service eine Frau an die Spitze stellen kann. Daran können sich alle ein Beispiel nehmen.
(Dr. Stefanie von Berg GRÜNE: Ist das hier zur Drucksache?)
Wir als SPD-Fraktion wollen jedenfalls unseren Teil einerseits zur Bewusstseinsbildung, andererseits dazu, dass nach zwei Jahren dann auch greifbare Ergebnisse vorliegen werden, beitragen. An diesen Ergebnissen wird sich übrigens, wie neulich in den Raum geworfen wurde, nicht nur die Justiz- und Gleichstellungssenatorin messen lassen müssen, sondern es wird sich daran der gesamte Senat messen lassen müssen, denn es ist ein Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm des Senats. Und auch wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dieses Programm ins Rollen zu bringen. Dieser Senat hatte die Federführung, aber es ist ein Gesamtprogramm. Wir werden dieses nicht wegdelegieren und auch nicht einfach dem Justizund Gleichstellungsausschuss übertragen, sondern – Sie haben das eben schon mitbekommen – wir haben vor, dieses Thema in sehr viele Ausschüsse zu tragen und dort zu debattieren. Damit wollen wir einen Prozess hin zu einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in Hamburg anstoßen. Wir fordern Sie natürlich auf, aktiv daran mitzuwirken, damit wir daraus eine Erfolgsgeschichte machen können, nicht nur zum Wohle von uns Frauen, wobei ich das natürlich gern mitnehme, sondern zum Wohle aller unserer Bürgerinnen und Bürger einschließlich unserer selbst.
Vielleicht gestatten Sie mir noch den kleinen Hinweis, dass es in unserem engeren politischen Bereich auch noch den einen oder anderen Handlungsbedarf oder zumindest den einen oder anderen Diskussionsanlass gibt. Selbstbestimmung und Teilhabe – so soll es sein, so soll es werden. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit an diesem Prozess. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)