+

KITAPLÄTZE

Gebührenfreie Betreuung

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

Zukunft Hamburger Museen

Aktualisiert: 30.01.2012

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 17. Sitzung am 9. November 2011

Frau Pr­äsid­ent­in, mei­ne Da­men und Her­ren! Es gibt Men­schen wie Pe­ter Slo­ter­di­jk, für die Mu­se­en gleich­be­deu­tend sind mit – ich zi­tie­re –:
"[…] Müdigkeit, Schwin­del­gefühl, […] Atem­not […] und pa­ni­schem Drang zum Aus-
gang."
Es gibt Gott sei Dank auch noch die an­de­ren, die sich für den Er­halt ih­res Mu­se­ums ein­set­zen, mit dem sie sich iden­ti­fi­zie­ren, die stau­n­end durch Mu­se­en st­rei­fen wie durch Wun­der­kam­mern oder ak­tiv mit­ge­stal­ten wie zum Bei­spiel jetzt schon im Ha­fen­mu­se­um in Ham­burg. Für die ei­nen sind Mu­se­en, be­son­ders die his­to­ri­schen, ver­staub­te Aus­lauf­mo­del­le, de­nen höchste­ns mit spek­ta­kul­ären Son­der­aus­stel­lun­gen noch tem­por­är L­eb­en ein­ge­haucht wer­den kann oder die nur noch als skur­ri­le Event­lo­ca­ti­on tau­gen.
Die an­de­ren aber set­zen dar­auf, dass Mu­se­en ge­ra­de in un­se­rer sch­nell­le­bi­gen, von Glo­ba­li­sie­rung und Ve­r­ein­ze­lung ge­prägt­en Zeit ge­braucht wer­den, und zwar mehr denn je ge­braucht wer­den. Ich hof­fe sehr, dass wir al­le, die wir hier sit­zen, zu den Letz­te­ren gehören.
(Bei­fall bei der SPD) Ich kom­me zum Stich­wort Di­gi­ta­li­sie­rung. Noch ist nicht ab­ge­macht, dass die rea­le, greif­ba­re Welt der Aus­stel­lungs­ob­jek­te in den Mu­se­en im Zu­ge der fort­sch­rei­ten­den Di­gi­ta­li­sie­rung an Fas­zi­na­ti­on ver­lie­ren wird. Vi­el­leicht ste­hen wir auch, ganz im Ge­gen­teil, am An­fang ei­ner Re­nais­san­ce des Au­then­ti­schen, vi­el­leicht siegt das Ori­gi­nal noch tat­sächl­ich über das Vir­tu­el­le. Die Mu­se­en als Or­te des Auf­stands ge­gen die se­kundäre Welt, so wur­de es neu­lich auf ei­ner Ta­gung pos­tu­liert. Das ist ei­gent­lich ei­ne ganz char­man­te Idee.
Für die Mu­se­en birgt die neue, di­gi­ta­li­sier­te Welt al­so durch­aus Chan­cen, die aber auch er­grif­fen wer­den müssen. Ei­ni­ges spricht dafür, dass Mu­se­en heu­te, in So­cial-Me­dia-Zei­ten, in de­nen Ver­net­zung und In­ter­ak­tio­nen so­wie das Sam­meln, Ord­nen und Struk­tu­rie­ren in­di­vi­du­ell und doch ver­netzt und ko­ope­ra­tiv or­ga­ni­siert wer­den kann, gut be­ra­ten wären, sich den gro­ßen au­to­ri­t­ären Erzähl­ung­en von oben her­ab zu ver­wei­gern und statt­des­sen auf lo­ka­les Wis­sen und Par­ti­zi­pa­ti­on zu set­zen. Span­nend wird es doch ge­ra­de dann, wenn Mu­se­en und Be­su­che­rin­nen und Be­su­cher, so­wohl die alt­ein­ge­ses­se­nen als auch zu­ge­wan­der­te und durch­rei­sen­de, Jung und Alt, Frau­en und Männ­er ge­mein­sam da­ran ar­bei­ten, Be­deu­tung her­zu­s­tel­len und je­weils ih­ren Er­fah­rungs­schatz und ih­re Sicht der Din­ge ein­brin­gen.
(Bei­fall bei der SPD) In Zei­ten, in de­nen die In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie bis in die pri­va­tes­ten Be­rei­che hin­ein­ragt und mit An­ge­bo­ten wie Ti­me­li­ne oder Slo­gans wie "Ho­me­pa­ge Ih­res Le­bens" sug­ge­riert, Men­schen bei ih­rer Ver­or­tung in der Welt hel­fen zu können, soll­ten die Mu­se­en selbst­be­wusst das Ge­gen­an­ge­bot ma­chen, näml­ich real an der Ge­gen­wart der Stadt mit ih­rer Ver­gan­gen­heit und Zu­kunft an­do­cken zu können.
Noch ist das Zu­kunfts­mu­sik, noch se­hen vie­le die Haupt­auf­ga­be der Mu­se­en im Aus­s­tel­len, währ­end For­schen, Sam­meln und Be­wah­ren be­reits fast aus dem Be­wusst­sein der Öff­ent­lich­keit ver­schwun­den sind. In der Fol­ge beschäft­ig­en wir uns auch hier im­mer nur mit den Be­su­cher­zah­len als In­de­xin­di­ka­tor für Qualität.

Wir wol­len mit un­se­rem An­trag heu­te die­ser, nicht nur in Ham­burg geführten Dis­kus­si­on, Rech­nung tra­gen und ers­te Im­pul­se für eine Um­o­ri­en­tie­rung ge­ben. Um dem Stif­tungs­ge­dan­ken und der Fach­lich­keit wie­der mehr zu ih­rem Recht zu ver­hel­fen, wol­len wir die Ände­rung des Stif­tungs­ge­set­zes von 2010 bezüglich der Zu­sam­men­set­zung des Stif­tungs­rats re­vi­die­ren, da sich das star­ke Über­ge­wicht von Behörde­nve­rtr­e­te­ri­nnen- und -ver­t­re­tern aus un­se­rer Sicht nicht bewährt hat. Es wur­de zu­letzt ganz ver­ges­sen, dass be­stimm­te Din­ge nur im Stif­tungs­rat ent­schie­den wer­den können. Um die Mu­se­en bes­ser als bis­her in die La­ge zu ver­set­zen, ih­re Dau­er­aus­stel­lun­gen zu pf­le­gen, um lang­fris­tig pla­nen, aber auch kurz­fris­tig auf ak­tu­el­le Be­dar­fe vor Ort rea­gie­ren zu können, soll aus un­se­rer Sicht die Hälfte des Son­der­aus­stel­lungs­fonds, al­so 1 Mil­li­on Eu­ro, zu­künftig di­rekt an die Mu­se­en ge­hen.
(Bei­fall bei der SPD) Um ei­ner­seits die Wei­ter­ent­wick­lung übergrei­f­end­er Auf­ga­ben­fel­der wie das In­ven­ta­ri­sie­rung­s­pro­jekt vor­an­zu­t­rei­ben, aber an­de­rer­seits bes­se­re Vor­aus­set­zun­gen für eine stärk­ere Öff­nung der Häus­er ge­gen­über den An­lie­gen der Bürgeri­nn­en und Bürger ­zu schaf­fen, wol­len wir die Stif­tung zu­künftig auf drei ei­genständ­ige Kern­häus­er – Ham­burg­mu­se­um, Al­to­na­er Mu­se­um und Mu­se­um der Ar­beit – kon­zen­trie­ren und auf der Ma­na­ge­ment­e­be­ne stärk­en.
Paral­lel er­su­chen wir den Se­nat, zu­sam­men mit dem Be­zirk Ber­ge­dorf ein Kon­zept zur Her­ausl­ösung des Mu­se­ums für Bergedo­rf und die Vier­lan­de aus der Stif­tung zu er­ar­bei­ten und zu pr­üfen, wie das Helms-Mu­se­um wie­der in den Zu­stand vor der Gründung der Stif­tung zurückgeführt w­erden kann.
(Bei­fall bei der SPD) Mei­ne Da­men und Her­ren! Dies be­deu­tet übrigens kei­nes­wegs, dass wir die Stif­tung aus­blu­ten las­sen wol­len, ganz im Ge­gen­teil. Wir wol­len sie aus ih­rer Star­re her­aus­ho­len und die­ses zar­te Pflänzc­hen, wie es neu­lich in ei­ner Ver­samm­lung von Mit­ar­bei­tern und Freun­den hieß, wol­len wir pf­le­gen, da­mit mehr an Team­geist wächst. Und wir wol­len ei­nen wir­k­lich hand­lungsf­ähig­en Zu­sam­men­schluss. Mu­se­en sind kein Selbstz­weck, sie sind vor al­lem für die Bürgeri­nn­en und Bürger ­da. At­trak­ti­ve, re­pr­äsent­at­ive An­ge­bo­te für Tour­ist­en zu ha­ben, ist das ei­ne, was wir brau­chen. Das ge­s­tie­ge­ne Be­dürfnis nach Iden­ti­fi­ka­ti­on mit dem Lo­ka­len, nach Ein­mi­schung und Mi­t­ent­schei­dung ist das an­de­re. Und das müssen ­wir auf­g­rei­fen.
(Bei­fall bei der SPD) Wie die Teil­ha­be dann aus­sieht, das wird sich vor Ort ent­schei­den, je nach­dem, wel­che Ziel­grup­pen ein­ge­bun­den wer­den sol­len und wel­che ein­ge­bun­den wer­den wol­len, auf Au­genh­öhe die ei­nen, vi­el­leicht an die Hand ge­nom­men die an­de­ren, aber auf je­den Fall im Sin­ne viel­fält­ig­er Mu­se­en für alle. Das wird in Ber­ge­dorf an­ders aus­se­hen als in Har­burg. Dar­auf wer­den die Mu­se­en in der Stif­tung je­weils ei­ge­ne Ant­wor­ten fin­den. Die­se Le­ben­dig­keit in un­se­rer Mu­se­ums­land­schaft ist es, was wir wol­len. – Vie­len Dank.
(Bei­fall bei der SPD)



DATENSCHUTZ