Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 18. Sitzung am 10. November 2011
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg zeigt Flagge, Flagge für ein freies und selbstbestimmtes Leben von Frauen, gegen Diskriminierung und gegen Gewalt in jedweder Form gegenüber Frauen und Mädchen. Zum ersten Mal wird am 25. November 2011, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auch am Hamburger Rathaus die Flagge "Frei Leben – ohne Gewalt" von TERRE DES FEMMES gehisst werden.
(Beifall bei der SPD)
Dies wird ein weithin sichtbares Zeichen dafür sein, dass wir uns in der Freien und Hansestadt Hamburg gegen die tägliche Gewalt an Mädchen und Frauen hier und weltweit stellen. Wir sagen gemeinsam Nein zu Gewalt an Frauen.
(Beifall bei der SPD)
Bisher herrschte in diesem Haus immer großer Konsens darüber, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht toleriert werden kann und bekämpft werden muss.
(Finn-Ole Ritter FDP: Ist immer noch so!) Über das Wie waren wir uns natürlich nicht immer ganz einig,
(Finn-Ole Ritter FDP: Mit Flaggen 'raushängen ist es nicht getan!)
schon gar nicht, wenn es um die Ausrichtung auf Gender-Fragen ging. Da schaue ich natürlich nach rechts, aber die Kolleginnen und Kollegen wollen gerade nicht zurückschauen. Lassen Sie mich für meine Fraktion ausdrücklich festhalten, dass bei uns die Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen einen sehr hohen Stellenwert hat.
(Finn-Ole Ritter FDP: Bei uns auch!)
Wir haben bereits in der vorigen Legislaturperiode versucht, einiges in Bewegung zu bringen, und tatsächlich wurden einige unserer Anregungen aufgegriffen. Das wollen wir jetzt fortführen. Zwei Punkte will ich dabei herausstreichen, zum einen die Einrichtung eines Sonderdezernats Beziehungsgewalt bei der Staatsanwaltschaft zum 1. Januar 2011. Das war schon eine unserer Forderungen in unserem Antrag zur Entwicklung eines Aktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das Einrichten dieses Sonderdezernats zeitigt bereits erste Erfolge.
Das Zweite, was ich herausstreichen will, ist die aktuelle, insgesamt natürlich überfällige Reform des Polizeirechts mit einem neu aufgenommenen Kontakt- und Näherungsverbot, ebenfalls eine Forderung von uns aus der vergangenen Legislaturperiode.
(Beifall bei der SPD)
Dies konnte jetzt umgesetzt werden. Bislang konnte die Polizei nur Wegweisungen durchsetzen, die es dem Täter untersagten, sich dem Wohnort des von Gewalt bedrohten Opfers zu nähern. Künftig kann die Polizei auch ohne zeitliche Verzögerung über ein Gerichtsverfahren, dass dazu oft auch noch eine psychologische Hürde darstellt, dem Täter verbieten, sich dem Opfer zu nähern, und zwar ganz gleich wo, am Arbeitsplatz genauso wie an der Wohnung.
Das ist eine große Verbesserung des Schutzes der Frauen, die von Stalkern oder vom eigenen Ehemann verfolgt werden.
(Beifall bei der SPD)
Nichtsdestotrotz bleibt noch viel zu tun, bis Frauen und Mädchen tatsächlich wirksam und umfassend vor Gewalt geschützt sein werden. Ein wichtiger Schritt dabei ist es, Symbole zu setzen und Signale der Solidarität zu senden. Die Fahnenaktion von TERRE DES FEMMES mit Aktionen von Rumänien über Honduras bis nach Kenia läuft seit 2001, dieses Jahr übrigens mit dem Schwerpunkt Jungfernhäutchen. In vielen Familien nämlich wird der Zustand des Jungfernhäutchens der Tochter noch immer als Ehrensache angesehen. Zweifel an der Reinheit der Tochter können zu einer ernsthaften Bedrohung für deren Leben werden – Zwangsehen ist hier ein weiteres Stichwort, das zu erwähnen wäre, ich erinnere an den Fall Morzal O. Auch darum geht es bei den Aktionen, dass nämlich junge Frauen das Recht haben, selbstbestimmt zu leben, und es nicht sein darf, dass sie für ihre persönliche Freiheit das Leben riskieren. Dafür müssen wir uns einsetzen. Versuche, das zu unterlaufen, müssen wir mit aller Kraft verhindern.
(Beifall bei der SPD)
Während im vergangenen Jahr die Fahne in Hamburg noch etwas verschämt an einem Justizgebäude gehisst wurde – unser Antrag auf Rathausbeflaggung war ja mit den Stimmen von CDU und GAL abgelehnt worden –, wird sie dieses Jahr sehr schön sichtbar über dem Rathaus wehen. Wie ich höre, werden sich übrigens mehrere Bezirksämter in Hamburg dieser Aktion anschließen, was ich sehr begrüße. Ich bin sehr stolz darauf, dass Hamburg sich unter einem SPD-geführten Senat einreiht in die lange Liste der deutschen Städte, die sich beteiligen, und hoffe, dass wir eine besondere Signalkraft entwickeln.
Lassen Sie mich noch einmal festhalten: Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema. Fast jede dritte Frau erlebt bei einer Trennung Gewalt, Drohungen und so weiter durch den früheren Partner, und jede vierte Frau erlebt in ihrem Leben mindestens einmal Gewalt durch ihren Lebenspartner mit häufig gravierenden Folgen für die leibliche und seelische Gesundheit. Das können und das wollen wir nicht einfach hinnehmen. Lassen Sie uns alle zusammen mit den Frauen in unserer Stadt und allen in der Sache Engagierten dafür kämpfen, dass alle Frauen in Hamburg, mit Migrationshintergrund oder ohne, junge und alte, mit oder ohne Behinderung, wirksam vor Gewalt geschützt werden und fest darauf vertrauen können, dass sie sich hier frei und selbstbestimmt entfalten und leben können. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)