Aktualisiert: 30.01.2012
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 35. Sitzung am 14. Juni 2012
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bedanken, bedanken bei all jenen, die über Jahre hinweg in der Sache engagiert waren, bedanken bei den Expertinnen und Experten unserer Sachverständigenanhörung zum Thema, die sehr differenziert, aber auch in der Sache sehr überzeugend waren, und ich möchte mich bei allen hier im Haus vertretenen Fraktionen bedanken, die sich auf ein letztendlich sensationell schnelles Verfahren eingelassen haben.
(Beifall bei der SPD, der GAL und der LINKEN)
Das ist wirklich keine Selbstverständlichkeit angesichts einer Thematik, die noch immer einiges an Brisanz in sich birgt. Nur so aber konnte es uns gelingen, unser gemeinsames Anliegen noch vor der Sommerpause auf die Tagesordnung der Bürgerschaft zu setzen. Nochmals vielen Dank. Meine Damen und Herren! Wir als SPD-Fraktion haben gern die Initiative für den jetzt vorliegenden interfraktionellen Antrag ergriffen. Denn in dieser Sache wäre aus unserer Sicht parteipolitisches Hickhack völlig unangemessen und fehl am Platz gewesen. Die für uns alle sehr beeindruckende Anhörung hat hier und da eventuell vorhandene letzte Zweifel auszuräumen vermocht und sicher maßgeblich dazu beigetragen, dass wir quer durch alle Fraktionen zu folgendem Schluss gekommen sind: Die Stadt Hamburg muss sich endlich ihrer Verantwortung als bedeutender Standort nationalsozialistischer Militärjustiz stellen und deren Opfer angemessen gedenken.
(Beifall bei der SPD, der GAL, der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)
Das bringen wir heute mit unserem Antrag auf den Weg und senden damit ein klares Signal an die überlebenden Opfer, die jahrzehntelang um gesellschaftliche Anerkennung kämpfen mussten, an Deserteure im Zweiten Weltkrieg ebenso wie an die Männer und Frauen, die Unterstützung gewährten, weiterhalfen und Widerstandsnetze knüpften. Es gibt jedoch noch große Forschungslücken rund um die Geschichte der NS-Wehrmachtsjustiz und ihrer Opfer, die es zu schließen gilt.
Der neu zu gründende Beirat – er wurde eben schon erwähnt – wiederum ist gefordert, klug, in Abwägung aller Erkenntnisse, angemessene Kriterien für eine Ausschreibung zum Vorhaben Deserteursdenkmal zu entwickeln, über das eine Jury dann entscheiden soll.
Lassen Sie mich noch ein, zwei Worte zum 76erDenkmal sagen. Alle Expertinnen und Experten waren sich zunächst darin einig, dass unser Vorhaben unbedingt auf diesen Klotz Bezug nehmen muss, der bei nicht wenigen Menschen weiterhin für Irritationen sorgt. Dennoch haben wir starre Festlegungen vermieden, um eine freie Gestaltung nicht von vornherein zu beschneiden. Dabei kann zum Gelingen nur beitragen, wenn einerseits den Opfern Rechnung getragen wird, andererseits die Herausforderung sehr ernst genommen wird, die darin liegt, möglichst viele Hamburgerinnen und Hamburger, alte und neue, zugezogene, Migrantinnen und Migranten gleichermaßen wie Besucherinnen und Besucher unserer Stadt aus aller Welt und vor allem auch zukünftige Generationen zur Auseinandersetzung, zum Erinnern anzuregen, ja, aufzufordern. Deshalb wollen wir die Thematik der Deserteure und anderer Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz nicht isoliert betrachtet wissen, sondern wir stellen sie in einen Kontext, in einen Kontext mit der Entwicklung alternativer medialer Formen des Erinnerns und Gedenkens einerseits, in einen Kontext mit der Weiterarbeit an dem Gesamtprojekt Aufarbeitung der NS-Zeit. Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass sich das gesamte Haus einig ist. Wir wollen der Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz in Hamburg gedenken, wir stellen uns gegen das Vergessen und wir stellen uns gemeinsam unserer Verantwortung als Stadt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der GAL, der LINKEN und bei Dr. Kurt Duwe FDP)