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TOLERANZ

Neben und miteinander

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

Kemal Altun Platz

Aktualisiert: 30.01.2012

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 20. Wahlperiode - 28. Sitzung am 28. März 2012

Frau Pr­äsid­ent­in, mei­ne Da­men und Her­ren! Ich ver­su­che, mir Mühe zu ge­ben, wie es ge­for­dert wird.
Aus un­se­rer Sicht ver­men­gen sich hier zwei The­men. Ers­tens soll­ten wir die Na­mens­ge­bung ei­nes Plat­zes in Ot­ten­sen aus dem Jahr 1983 end­lich le­ga­li­sie­ren. Zwei­tens soll­ten wir uns die Fra­ge stel­len, wie wir an­ge­sichts der Se­rie von rech­ten Ge­walt­ta­ten qu­er durch un­ser Land in Ham­burg Zei­chen ge­gen Rechts­ex­t­re­mis­mus, ge­gen Ge­walt an Mit­bürgeri­nn­en und Mit­bürgern mit Mi­g­ra­ti­ons­hin­ter­grund und für ein so­li­da­ri­sches Mit­ein­an­der set­zen können. Letz­te­res ist ganz ein­fach zu be­ant­wor­ten. Es stünde u­ns sehr gut an, in un­se­rer Stadt, wo es eben­falls Op­fer rech­ter Ge­walt ge­ge­ben hat, die auch hier lan­ge Zeit nicht als sol­che er­kannt wor­den wa­ren, Zei­chen zu set­zen. Die Be­nen­nung von St­raßen oder Plätz­en nach den Mit­bürgern, die zu Op­fern wur­den, ist ei­ne an­ge­mes­se­ne, wenn auch nicht hin­rei­chen­de Re­ak­ti­on ei­ner Stadt auf die bit­te­re Er­kennt­nis, dass so et­was auch bei uns mögli­ch war. Es wäre ein rich­ti­ges Si­g­nal in Rich­tung rechts, um deut­lich zu zei­gen, so et­was dul­den wir hier nicht, wir ste­hen ge­mein­sam zu al­len un­se­ren Mit­bürgeri­nn­en und Mit­bürgern, gleich wel­cher Na­tio­na­lit­ät und Her­kunft, und wir wol­len al­les dafür tun, die wel­t­of­fe­ne At­mos­phäre, für die Ham­burg als Tor zur Welt durch­aus steht, zu be­wah­ren und not­falls ge­gen un­de­mo­k­ra­ti­sche Kräfte aus dem rech­ten La­ger zu ver­tei­di­gen. (Bei­fall bei Re­gi­na-Eli­sa­beth Jäck SPD – Zu­ruf von Ant­je Möller GAL) – Frau Möller, das gehört ­zu die­sem The­ma. Wo ge­nau das ge­sche­hen soll und kann – ich sp­re­che na­türlich nur aus mei­ner Sicht, Frau Möller –, soll­ten wir mit den Be­zir­ken kl­ären.
(Ve­r­ein­zel­ter Bei­fall bei der SPD und bei Dr. Kurt Du­we FDP) Nun aber zum Ke­mal-Al­tun-Platz. Das ist kei­nes­wegs nur ei­ne Be­zirk­s­an­ge­le­gen­heit und nicht nur ei­ne Mot­ten­bur­gen­sie. Vor 30 Jah­ren hat­ten Men­schen in Al­to­na das Gefühl, ein Zei­chen ge­gen die Ab­schie­be­po­li­tik der da­ma­li­gen Bun­des­re­gie­rung set­zen zu müssen, die – zu­min­dest sa­hen das vie­le da­mals so, un­ter an­de­rem Am­nes­ty In­ter­na­tio­nal – ur­sächl­ich zum Selbst­mord ei­nes Men­schen führte, der den Frei­tod der dro­hen­den Aus­lie­fe­rung an das da­ma­li­ge türkisc­he Re­gi­me vor­ge­zo­gen hat. Seit­dem heißt ein Platz in Ot­ten­sen Ke­mal-Al­tun-Platz. Ich ha­be das ab­sicht­lich ge­nau so for­mu­liert, weil der Platz ge­nau so heißt. Kein Mensch in Ot­ten­sen – ich woh­ne dort – wüsste, wie der Platz sonst hei­ßen soll­te. Im Jahr 2007 wur­de der neu­ge­stal­te­te Platz ein­ge­weiht und die STEG lud mit of­fi­zi­el­lem Blatt zur Neu­ein­wei­hung ein. Na­türlich lud sie auf den Ke­mal-Al­tun-Platz ein, al­ler­dings in Gäns­efüßchen ge­setzt. Kol­le­gin Özde­mir hat eben schon dar­auf hin­ge­wie­sen, dass man in Ant­wor­ten auf Schrift­li­che Klei­ne An­fra­gen – un­ter an­de­rem ge­s­tellt von mei­ner geschätzt­en Kol­le­gin Ca­ro­la Veit, da­mals noch nicht Pr­äsid­ent­in, und auch vom Kol­le­gen Wil­fried Buss – tat­sächl­ich je­weils oh­ne Gäns­efüßchen die Be­zeich­nung Ke­mal-Al­tun-Platz fin­det. Er wird in ei­ner Rei­he mit je­der an­de­ren St­raßen­be­zeich­nung auf­geführt.
Jen­seits al­ler po­li­ti­schen Über­le­gung hat hier ein­mal die St­raße ge­won­nen. Die Be­zeich­nung hat sich qua­si von un­ten durch­ge­setzt, dank Goog­le mitt­ler­wei­le auch weit über die Be­zirks­g­ren­zen hin­aus. So ein Vor­gang ist durch­aus sel­ten und trägt nicht un­we­sent­lich zur Iden­titätss­t­ift­ung des nach ei­ge­ner Einschätz­ung im­mer noch gal­li­schen Dor­fes Ot­ten­sen bei, das ver­sucht, sich der Gen­tri­fi­zie­rung zu wi­der­set­zen und sei­ne See­le zu be­wah­ren.
(Ant­je Möller GAL: Über was re­den Sie ei­gent­lich? – Jens Kers­tan GAL: Sie wol­len al­so zu­stim­men, oder was?) Der Ke­mal-Al­tun-Platz ist tief in den Stadt­teil­my­then ver­an­kert.

Das will ich all den Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, die nicht ver­ste­hen, wo­her die Auf­re­gung kommt, mit­tei­len, denn die­se Stadt­teil­my­then sind vi­el­leicht nicht überall und bis in den Os­ten der Stadt be­kannt. Das treibt mitt­ler­wei­le ganz neue Bl­üten, übrigens bei Jung und Alt glei­cher­ma­ßen. Man­che mei­nen, dass Ke­mal Al­tun läng­er in Al­to­na ansäss­ig war. Wie ge­sagt, die My­then le­ben, das soll­ten wir kei­nes­wegs au­ßer Acht las­sen. Zu­sam­men­halt und Ge­mein­schaft­lich­keit – ich hof­fe, von uns al­len gewünschte Zie­le – ent­wi­ckeln sich auch ent­lang sol­cher Li­ni­en und sind nicht be­lie­big von oben di­ri­gier­bar.
(Glo­cke) Vi­ze­pr­äsid­ent­in Bar­ba­ra Du­den (un­ter­b­re­chend): Frau Do­busch, ent­schul­di­gen Sie die Un­ter­b­re­chung, aber für so w­enige an­we­sen­de Ab­ge­ord­ne­te ist es ein­deu­tig zu laut.
Ga­bi Do­busch SPD (fort­fah­rend): Dan­ke, Frau Pr­äsid­ent­in.
(Ant­je Möller GAL: Für diese Re­de ist die Re­de­zeit ein­deu­tig zu lang!) – Schön, dass Sie dar­über nicht zu be­stim­men ha­ben, Frau Möller.
Übri­gens war an der Stel­le des Ke­mal-Al­tun-Plat­zes auch der ers­te Bau­wa­gen­platz in Ham­burg. Auch die Ak­zeptanz sol­cher al­ter­na­ti­ver Le­bens­for­men steht durch­aus in Zu­sam­men­hang mit dem eben erwähnt­en
Ich kom­me zu dem Punkt, auf den Frau Möller so drängt. Nun hat die of­fi­zi­el­le Be­nen­nung des Geländ­es, auch un­ter di­ver­sen Vor­re­gie­run­gen, nicht statt­ge­fun­den. Ich darf auf Ge­sche Bo­eh­lich ver­wei­sen, die als GAL-Be­zirks­frak­ti­ons­vor­sit­zen­de 2005 ge­sagt ha­ben soll, das sei ein­fach nicht durch­setz­bar. Das hat sie na­türlich als Ant­wort auf den An­trag der SPD-Be­zirks­frak­ti­on von 2005 ge­sagt, die da­mals die Um­be­nen­nung woll­te. Es gibt al­so aus dem Be­zirk nach­hal­tig den Wunsch nach Um­be­nen­nung. Aus zu­min­dest prag­ma­ti­schen Gründen ­wird an uns her­an­ge­tra­gen, dass man dem fol­gen soll­te, was vor Ort schon längst statt­ge­fun­den hat. Al­ler­dings hat es für die Ab­leh­nung, auch un­ter dem Vorgäng­ers­en­at, bis­her si­cher Gründe g­ege­ben, die un­ter Umständ­en wei­ter gel­ten. Wir schla­gen da­her vor, dass die Kul­tur­behörde zu­sam­men mit dem Be­zirk noch ein­mal er­geb­ni­s­of­fen
(Dirk Ki­en­scherf SPD: Sehr gut!) wie wir der Sa­che ins­ge­s­amt ge­recht wer­den können.
Der neue Tat­be­stand, den wir aber auch be­den­ken wol­len, soll­te nicht ei­nen al­ten Tat­be­stand überlage­rn. Des­halb fin­den wir al­le Vor­schläge, die in die Rich­tung ge­hen, den Platz nach ei­nem an­de­ren Op­fer zu be­nen­nen, nicht rich­tig. Das En­ga­ge­ment ge­gen rechts ist nicht gleich­zu­set­zen mit dem En­ga­ge­ment für eine men­schen­würdige Asyl­po­li­tik und geht da­rin auch nicht auf. Ins­ge­s­amt würden ­wir al­len Be­tei­lig­ten ei­nen Bärend­ie­nst er­wei­sen, wenn wir hier ver­such­ten, ei­ne klei­ne Grünfläc­he mit Spiel­ger­äten in ei­ne ei­er­le­gen­de Woll­milch­sau zu ver­wan­deln.
(Zu­ruf von Do­ra He­y­enn DIE LIN­KE) – Wenn Sie zu­gehört ­hätten,
(Do­ra He­y­enn DIE LIN­KE: Ich ha­be zu­gehört! Was hat die Woll­milch­sau mit dem Ke­mal-Al­tun-Platz zu tun?) was der Sa­che durch­aus an­ge­mes­sen wäre, dann wüssten Sie es. Hier geht es näml­ich durch­aus um ei­ne erns­te The­ma­tik.
Zei­chen ge­gen Rechts­ex­t­re­mis­mus können und soll­ten wir an an­de­rer Stel­le set­zen. Ich bin mir si­cher – oder sa­gen wir, be­vor ich Sie, Frau Möller und Herr Kers­tan gehört ­habe, war ich mir si­cher –, dass es uns ge­mein­sam mit den Be­zir­ken in gro­ßem Kon­sens ge­lin­gen wird, gu­te und der Sa­che würdige Lösungen zu fin­den. Mal se­hen, ob uns das ge­lingt. – Vie­len Dank.
(Bei­fall bei der SPD)



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